Ein väterliches Erbe
Die ersten Krisen traten auf, als A. Briguet 10 Jahre alt war: Ihre Hände und Füsse schwollen an, manchmal auch andere Körperteile. Natürlich machten sich ihre Eltern Sorgen, waren aber auch nicht wirklich überrascht: «Mein Vater hat zeitlebens unter den gleichen Anfällen gelitten, ohne dass man je wusste, worum es sich handelte », erklärt die heute 38-jährige Walliserin. «Meine Grosseltern suchten mit ihm unzählige Ärzte in der Romandie auf und reisten sogar zu einem Naturheilkundler in den Jura, ohne Erfolg».
Diese Odyssee wollte Frau Briguets Vater seiner Tochter nicht zumuten, zumal diese durch die Krisen nicht wesentlich gestört zu sein schien. «In der Schule passte ich mich an. Wenn meine rechte Hand geschwollen war, schrieb ich mit der linken. Und wenn ein Fuss anschwoll, war das halt so». Als gute Schülerin konnte sie ihre Schulzeit ohne allzu viele Probleme fortsetzen.
Endlich eine Diagnose
Gegen Ende
der Adoleszenz verschlimmerte sich das Übel. «Die Krisen traten viel häufiger
auf, einige davon auch im Bauch, was wirklich sehr schmerzhaft war», berichtet die
Frau aus Siders. Schliesslich riet ihr ihre Grossmutter, welche die Hoffnung in
die Fortschritte der Medizin nicht aufgegeben hatte, einen Arzt aufzusuchen.
A. Briguet ging
zu einem Allergologen, der während eines Jahres zahlreiche Blutentnahmen durchführte
und schliesslich dem mysteriösen Übel einen Namen geben konnte: Sie litt unter
einem hereditären Angioödem. Dabei handelt es sich um eine seltene Krankheit,
welche nach Schätzungen eine Person auf 10 000 bis 50 000 betrifft.
«Es gibt Zeiten, in denen es mir recht gut geht, dann wieder gibt es schlechte Phasen », berichtet A. Briguet. Die Ödeme treten insbesondere bei Stress auf. «Im Sommer vor meiner Hochzeit musste ich einmal pro Woche ins Spital. Der leitende Arzt der Notfallstation meinte schliesslich zu mir, dass meine Heirat die teuerste im Kanton sein werde!», erinnert sie sich und lacht. Die Frau aus Siders hat sich einen gewissen Abstand zu ihrer Krankheit bewahrt und ihren Sinn für Humor nicht verloren.
Lebensgefährlich
Hereditäre
Angioödeme sind unheilbar, die Krisen können aber behandelt werden. «Am Anfang
gab es ein sehr teures Medikament, das intravenös verabreicht und im
Kühlschrank aufbewahrt werden musste. Das war ein bisschen kompliziert, und ich
hatte es nicht immer dabei». Schliesslich trat eines Tages eine besonders starke
Krise auf, bei der Frau Briguets Hals so anschwoll, dass sie zu ersticken
drohte. Im Gespräch mit einem Arzt des Spitals Siders erkannte sie, dass sie «jederzeit
sterben» kann und dass sie ihr Medikament immer griffbereit haben muss, dies
umso mehr, als die Krisen, die das Gesicht und den Hals betreffen, mit
zunehmendem Alter häufiger werden.
Vertrauen in die Zukunft
Vor eineinhalb Jahren ist schliesslich ein neues Medikament auf den Markt gekommen, das eigentlich zur Behandlung der Krisen gedacht war, sich aber auch in der Prävention als effizient erwiesen hat. Zugegeben, die Anwendung ist recht aufwändig: «Ein- bis zweimal pro Woche muss ich mir eine intravenöse Spritze verabreichen. Eine Krankenschwester hat mir gezeigt, wie ich dies selber tun kann. Seither sind die Krisen deutlich seltener geworden».
Frau Briguet hat zwei Kinder, die ebenfalls Träger des hereditären Angioödems sind. Sie sind noch klein und zeigen gegenwärtig keine Symptome. A. Briguet hofft für sie und für sich selber, dass neue Forschungsresultate es in zukünftig ermöglichen werden, die Krisen einfacher bewältigen zu können.
Das
Portrait von Frau A. Briguet finden Sie auch in der Broschüre «Seltene
Krankheiten - Fortschritte in Diagnose und Behandlung».
Das Foto wird mit freundlicher Genehmigung von Interpharma genutzt.