Medikamentenpreise im Fokus
Als seltene Krankheit gilt eine Erkrankung, wenn sie einmal oder weniger pro 2000 Einwohner aufritt.
Gemäss einer Studie, welche im Rahmen des Nationalen Konzepts Seltene Krankheiten durchgeführt wurde, leiden 7,2% der Bevölkerung an einer seltenen Krankheit. Das sind über eine halbe Million Menschen in der Schweiz.
Trend hin zur personalisierten Medizin
Medikamente rücken in den Vordergrund, die nur für einen bestimmten Typ einer Erkrankung geeignet sind. Eine Individualisierung findet statt, die auch mit dem Begriff «personalisierte Medizin» umschrieben wird. Diese spezifischen, hochkomplexen Medikamente zielen auf die individuelle Behandlung von Patientinnen und Patienten ab und sollen eine bessere Wirkung entfalten. Diese innovativen Medikamente sind aufwendig in der Entwicklung und sehr teuer. Mehrheitlich kommen sie heute bei seltenen Krebserkrankungen zum Einsatz. In der öffentlichen Wahrnehmung entsteht der Eindruck, dass die Kosten für diese sogenannten «orphan drugs» für die steigenden Gesundheitskosten verantwortlich sind.
Die Kosten des schweizerischen Gesundheitswesens
Laut den aktuellsten Zahlen des Bundesamtes für Statistik (BFS) betrugen die Kosten des Gesundheitswesens im Jahr 2016 insgesamt rund 80.5 Milliarden.
Dabei fielen die meisten Kosten mit einem Anteil von 27% bei der ambulanten Behandlung an, gefolgt von der stationären Behandlung (20%) und der Langzeitpflege (19%). Der Anteil der Gesamtkosten für Medikamente betrug 13%. Darin sind auch die Medikamente, welche stationär und ambulant im Spital abgegeben werden, enthalten. Graphik
Auch die Kosten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) sind zu berücksichtigen, da wir Bürgerinnen und Bürger alle dort solidarisch einzahlen. Die Gesamtleistung der OKP betrug im Jahr 2016 31,5 Milliarden. Der Anteil an Medikamenten betrug 20.8%.
Auf der Webseite der schweizerischen Arzneimittel- Zulassungsbehörde Swissmedic sind die Medikamente, welche in der Schweiz zugelassen sind, aufgelistet. Für den humanen Bereich sind dies aktuell 12'615, davon haben 366 den Status eines orphan drugs. Das entspricht knapp 3% aller Medikamente. Rechnet man nun die Kosten der orphan drugs auf die gesamten Gesundheitskosten aus, so beträgt ihr Anteil gerade mal 0.39%, bei der Gesamtleistung der OKP sind es 0.624%!
Was sagt die Bevölkerung?
Eine repräsentative Befragung der Bevölkerung 2018 (Gesundheitsmonitor) zum Gesundheitswesen in der Schweiz hat zum Thema seltene Krankheiten folgendes ergeben:
Eine klare Mehrheit der Schweizer Bevölkerung wünscht sich eine Entscheidung, die primär von medizinischen Überlegungen geleitet wird (95%), eine Entscheidung, die auch die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten berücksichtigt (96%) sowie eine Entscheidung von Fall zu Fall (89%). Nur 4% bzw. 6 % sind der Meinung, dass die Behandlung in keinem Fall bzw. bei zu hohen Kosten nicht erfolgen sollte. Graphik
Auch wenn diese Umfrage vom Interessensverband der Pharmaindustrie (Interpharma) in Auftrag gegeben wurde, sind die Resultate dennoch eindrücklich und zeigen eine klare Tendenz auf.
Bleibt die Frage, welcher Preis ist fair?
Natürlich muss eine Diskussion darüber geführt werden, wie teuer ein Medikament sein darf im Verhältnis zu seiner Wirkung. Diese Diskussion sollte jedoch nicht auf dem Rücken der Patienten ausgetragen werden. Aktuell sind in der Schweiz Medikamente für die Patientinnen und Patienten nach der Zulassung teilweise während Monaten und gar mehreren Jahren nicht erhältlich, weil sich Behörden und Hersteller nicht einig über den Preis werden. Gerade bei seltenen Krankheiten ist die Wirkung, die in klinischen Studien unter klar definierten Bedingungen bei einer ausgewählten Patientengruppe nachgewiesen wird, nicht immer zwingend mit der individuellen Situation eines Betroffenen im Alltag vergleichbar und folglich nur bedingt aussagekräftig. Daher sollten die Medikamente nach der Zulassung verfügbar sein, und die Entscheidung über deren Anwendung von Fall zu Fall vom behandelnden Experten beurteilt werden.
Die Preisspirale der Medikamente darf sich nicht ungehindert nach oben drehen, das ist eine gesellschaftliche Verpflichtung. Faire Preise für wirksame Medikamente, welche den Betroffenen eine bessere Lebensqualität ermöglichen, sollen das Ziel sein. Es sind alle beteiligten Akteure, Industrie, Behörden und Versicherer, angehalten an der Lösung dieses Problems zu arbeiten. Das Seilziehen auf Kosten der Patienten muss ein Ende nehmen.