Von der Erfahrung der Betroffenen lernen
Im Rahmen der Umsetzungsarbeiten zum Nationalen Konzept Seltene Krankheiten hat ProRaris -unterstützt vom Bundesamt für Gesundheit - am 15. September 2018 eine Patientenveranstaltung durchgeführt.
Ziel der Veranstaltung war es, die bestehenden Informations- und Beratungsangebote für Menschen mit seltenen Krankheiten vorzustellen und zu analysieren. Allfällige Lücken sollten festgestellt und Lösungsvorschläge erarbeitet werden. Wir brauchen das Wissen und die Erfahrung der Patienten/innen, um einen patientengerechten Auf- und Ausbau der Angebote sicherzustellen.
Am Anlass haben rund 40 Personen aus dem Mitgliedernetzwerk von ProRaris teilgenommen. Sowohl Betroffene, die von einer krankheitsspezifischen Patientenorganisation wie beispielsweise der ASRIMM und Retina Suisse unterstützt werden, als auch «isolierte Patienten», für die es keine eigene Anlaufstelle gibt, waren vertreten. Es war uns wichtig, die Stimme beider Patientengruppen zu hören, um allfällige Unterschiede feststellen zu können.
Nach dem Willkommenskaffee und einer kurzen Begrüssung durch unsere Präsidentin Anne-Françoise Auberson erläuterte Agnes Nienhaus, Geschäftsführerin der Nationalen Koordination Seltene Krankheiten kosek, wie die Information und Kommunikation im Gesundheitswesen funktioniert. Dabei ging sie auf die unterschiedlichen Arten der Informationsbeschaffung und Informationsquellen ein. Dies gab einen guten Überblick für die anschliessenden Gruppendiskussionen. Am Vormittag wurden folgende Themen besprochen: der Weg zur Diagnosestellung, die benötigten Informationen und Beratung im Verlauf der Krankheit, Anlaufstellen, die Information und Beratung anbieten und schlussendlich, welche Lücken in diesem Bereich heute noch bestehen.
Vertrauen in die Informationsquelle ist wichtig
Es zeigte sich, dass der Prozess der Diagnosefindung sehr unterschiedlich verläuft und stark vom Engagement der involvierten Gesundheitsfachpersonen abhängig ist. Es kommt vor, dass eine Diagnose durch einen glücklichen Zufall gestellt wird. Patientenorganisationen sind hilfreich, wenn es um den Umgang mit der Krankheit geht. Sie geben hilfreiche Tipps zur Bewältigung des Alltags.
Die Informationsangebote haben ihre Vor- und Nachteile. Das Internet beispielsweise ist für eine generelle Information und Recherche sinnvoll, gibt jedoch wenig Sicherheit im Umgang mit der eigenen Krankheit. Zentral ist das Vertrauen, dass die Patienten/innen in die Informationsquelle haben: Ein hohes Vertrauen geniessen die Ärzteschaft, spezialisierte Zentren und Sprechstunden, Beratungsangebote sowie die Patientenorganisationen. Der Austausch mit anderen Betroffenen wird als sehr wichtig eingestuft. Es wurde deutlich, dass nicht nur die Vermittlung von Informationen relevant ist, sondern auch diese zu bündeln, einzuordnen und zu gewichten.
Die Diskussion hat ausserdem gezeigt, dass der Informationsfluss nicht einseitig ist. Nicht nur Betroffene und Angehörige sind auf die richtigen Informationen angewiesen, auch Fachpersonen müssen rasch Informationen zum Patienten erhalten, zum Beispiel im Notfall.
Nach der ersten Diskussionsrunde wurden die Angebote des «Portail romand » von Dr. Loredana D’Amato Sizonenko, medizinische Koordinatorin des portail maladies rares am Universitätsspital Genf (HUG), vorgestellt, gefolgt einer Präsentation der Helpline und der Anlaufstelle für Patienten ohne Diagnose am Unispital in Zürich durch Dr. Saskia Karg, Leiterin und Koordinatorin der Helpline am Kinderspital Zürich.
Am Nachmittag startete das Programm mit einer Präsentation der „Zukunftsvision“ der kosek durch Agnes Nienhaus. Sie zeigte auf, wie die bestehenden Angebote ausgebaut und koordiniert werden sollen. Anschliessend haben die Teilnehmenden die künftigen Angebote sowie die „Zukunftsvision“ der kosek in Gruppen diskutiert sowie Lücken und Lösungsvorschläge aufgezeigt.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass viele Informationen zwar bereits verfügbar sind, diese jedoch besser aufbereitet, auf die verschiedenen Zielgruppen zugeschnitten und zugänglich gemacht werden müssen. Die Herausforderung dabei ist, diese Informationen zu bündeln und verständlich zu vermitteln. Dafür braucht es geeignete Informationsquellen, die auf aktuellem Stand gehalten werden müssen.
Auf die Integration der „isolierten Patienten“ muss geachtet werden
Ein wichtiges Augenmerk muss auf die Betreuung der «isolierten Patienten» gelegt werden, da ihnen die Unterstützung einer krankheitsspezifischen Patientenorganisation fehlt. Bei dieser Patientengruppe läuft der zentrale Informationsfluss über die medizinischen Fachpersonen. Deren Kommunikationskompetenzen sind deshalb besonders wichtig. Sie müssen die Patienten/innen an geeignete unterstützende Stellen weiterleiten. Für besser gebildete, in Sachen Gesundheit kompetentere Betroffene ist auch die direkte Information, beispielsweise via Internet, von grosser Bedeutung. Zudem kommt der Selbsthilfe eine grosse Bedeutung zu: Gesundheitskompetente Patientinnen und Patienten können sogenannten vulnerable Betroffenen, die mit der Informationsbeschaffung überfordert sind, im gegenseitigen Austausch unterstützen.
Für ultra-rare Krankheiten werden keine Spezialisten in der Schweiz erwartet. Die Information über eine Betreuung im Ausland sollte jedoch verfügbar sein. Bei der Etablierung neuer Strukturen (sogenannter Referenzzentren) ist auf die Bedürfnisse dieser Patientengruppe besonders zu achten.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben die psychosoziale Betreuung und die Anbindung an die europäischen Versorgungsnetzwerke als weitere wichtige Aspekte genannt.
ProRaris hat sich sehr über das Engagement der zahlreichen Betroffenen gefreut, die bereit waren, über ihre Erfahrungen zu berichten, sowie über den Einsatz der kosek und der Helplines. Es war ein toller Anlass und wir möchten uns an dieser Stelle nochmals für die Unterstützung aller Beteiligten bedanken!