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Endlich eine Diagnose für Mélanie

Mélanie, du hast uns 2018 deine Geschichte erzählt. Damals warst du bereits seit 3 Jahren auf der Suche nach einer Diagnose, welche zu deinen Beschwerden passt. Im Oktober diesen Jahres hast du nun endlich eine Diagnose erhalten. Kannst du uns erzählen, wie es dazu kam?

Anfang 2020, nach einem schwierigen Winter mit vielen Schmerzen, überwies mich mein behandelnder Arzt – auf meine Bitte hin – an das Universitätsspital in Lausanne (CHUV) für eine "Sprechstunde für angeborene Stoffwechselerkrankungen". Ich habe diesen für mich wichtigen Termin mit Hilfe der Papierversion des "Persönlichen Dossiers Patientenhilfe" vorbereitet, das wir im Vorstand von UniRares speziell für Menschen mit seltenen Krankheiten entwickelt haben. Aus dem Gespräch mit den zwei Ärzten respektive Spezialisten ging hervor, dass ich chronische Muskel- und Skelettschmerzen in meinen Gliedmassen habe. Da es keine Hinweise für eine metabolische Myotonie gab, vermuteten sie ein Ehler-Danlos-Syndrom. Sie schlugen deshalb meinem Hausarzt vor, mich an die Abteilung für Genetische Medizin des CHUVs zu überweisen, welche auf diese Art von Bindegewebskrankheit spezialisiert ist. Gleichzeitig schickten sie meine Akte an das Schmerzzentrum des CHUVs, wo ich rasch einen Termin erhielt. Die Ärztin, die mich dort Anfang Mai empfing, hat sich meinen Fall nochmals ganz genau angeschaut bis hin zu den ersten Symptomen im Jahr 2015. Sie hörte mir zu und untersuchte meine Gliedmassen, um die körperlichen Probleme, die ich ihr erklärte, zu verstehen. Nach zwei Terminen gab sie eine Vermutung ab: Small Fiber Neuropathie (NPF), also eine Erkrankung der kleinen Nervenfasern. Diese Diagnose wurde Anfang Oktober 2020 durch eine Hautbiopsie bestätigt. In der Zwischenzeit bot sie mir Lidocain-Infusionen zur Verringerung der Schmerzen an und um meinen Alltag zu erleichtern. Im Moment hat das die grösste Priorität.

Wie hast du dich gefühlt, als du die Diagnose erhalten hast und was hat sich seither für dich verändert?

Ich fühlte echte Erleichterung: Endlich ein Ergebnis, das "physisch" die chronischen Muskel- und Skelettschmerzen in meinen Gliedern bestätigt. Ich weinte, weil ich nach fünf Jahren endlich hörte, dass meine Empfindungen sehr real sind und nicht nur "in meinem Kopf", wie mir vorher so oft gesagt und unterstellt wurde. Die Schmerzen haben mein Leben echt auf den Kopf gestellt. Ich empfinde deshalb gleichzeitig Wut und Freude! Endlich kann ich der Krankheit einen Namen geben und bestätigen, dass das, was ich bis jetzt unternommen habe, um mir selbst zu helfen, das Richtige ist, um die tagtäglichen Schmerzen zu lindern.

Du hast nun einen Namen für deine Krankheit, die Ursache kann aber vielfältig sein und wurde noch nicht gefunden. Welche medizinischen Schritte sind geplant, um der Ursache auf die Spur zu kommen?

Tja, das ist das Frustrierende: Es sind keine medizinischen Massnahmen geplant, um die Ursache zu finden. Im Schmerzzentrum erklärten sie mir, es sei kompliziert und teuer, in die genetische Medizin einzusteigen. Die Ärztin konzentriert sich deshalb auf Lösungen, die meinen Alltag erleichtern. Aber ich will dieses Thema 2021 nochmals ansprechen.

Mit diesen Schmerzen zu leben, ist wie rund um die Uhr einen schweren Rucksack zu tragen. Sie sind ständig da. Ich kann diese Belastung zwar tolerieren, aber ganz sicher nicht akzeptieren. Durch die monatliche Lidocain-Infusion wird die Last zwar leichter und ich kann Aktivitäten unternehmen, die mir Spass machen, wenn die Schmerzen weniger stark sind, aber die Beeinträchtigungen bleiben. Ich werde darum alle Hebel in Bewegung setzen, um die Krankheit zu besiegen.

Du engagierst dich im Verein UniRares als Vize-Präsidentin. Welche Motivation steckt dahinter und welche Unterstützung erhältst du durch die Vereinsmitglieder?

 Mein Engagement in der Vereinigung ist wichtig, weil ich möchte, dass auch Menschen mit anderen Krankheiten von den Erfahrungen aus meiner Krankengeschichte und meinen Ratschlägen profitieren können. Nicht jeder hat die Kraft morgens aufzustehen und zu kämpfen für einen Arzttermin und dann für noch einen und noch einen, bis endlich eine Diagnose gefunden ist. Das ist ein echter Hindernislauf. Wenn man leidet, muss man über sich selbst hinauswachsen und das kostet Kraft und macht mit der Zeit müde. Ehrlich, ich glaube ohne UniRares wäre ich heute nicht hier und könnte erklären, wie ich diese erste Diagnose erhalten habe, ich hätte schon vorher aufgegeben. Meine Kollegen und Freunde im Vorstand zu treffen, an den Gesprächsrunden teilzunehmen, das gibt mir jedes Mal einen Schub positiver Energie. Man sagt mir als eine meiner Stärken zwar nach, dass ich eine Draufgängerin bin und nicht aufgebe, bis ich etwas verstehe oder mein Ziel erreicht habe. Trotzdem habe ich in diesen fünf Jahren erkannt, dass ich auf Unterstützung angewiesen bin, um durchzuhalten und den Kampf weiterführen. Mich bei UniRares einzubringen, insbesondere beim Projekt "Persönliches Dossier Patientenhilfe" ist für mich eine Herzensangelegenheit. Ich hoffe sehr, dass wir die Finanzierung zustande bringen, damit bald auch die elektronische Version zur Verfügung steht.  

2020 ist ein verrücktes Jahr, aber für dich gab es mit der Diagnose auch Positives. Was wünscht du dir für das Jahr 2021? 

Für 2021 wünsche ich uns allen, dass wir uns wieder näherkommen können. Diese Pandemie ist schwierig für Patientinnen und Patienten, die isoliert sind und an chronischen, seltenen oder nicht diagnostizierten Krankheiten leiden. Und sie hat die Arbeit der Patientenorganisationen erheblich erschwert. UniRares war zum Beispiel gezwungen, die Gesprächsgruppen zu stoppen. Unsere Vorstandsitzungen haben wir zwar per Videokonferenz aufrechterhalten, aber das ist nicht das gleiche. Wir würden uns freuen, wenn wir uns wieder persönlich treffen könnten, um unsere Vereinigung voranzubringen. Was mich betrifft, so nehme ich jeden Tag, wie er kommt. Ich hoffe, dass ich im neuen Jahr dank der Diagnose eine Behandlung erhalte, welche es mir ermöglicht, mit weniger Schmerzen zu leben, um dann mit der Recherche zur Ursache der Krankheit zu beginnen. Gerne schliesse ich mit einem Zitat von Albert Einstein (1879-1955): " Das Leben ist wie ein Fahrrad. Man muss sich vorwärtsbewegen, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren." 

Herzlichen Dank für das Gespräch und dein Engagement für Menschen mit seltenen Krankheiten!

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